WENIGER IST MEHR


VON RÜDIGER ZUR BONSEN

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15. August

Weniger ist mehr

Oder: Eine fortlaufende Echtzeitreportage Ihres Hausarztes zum Thema der aktiven Gewichtsreduktion | Teil 2


Eine Woche später | Auf dem Weg

Die Reise durch das wunderbare Skandinavien ist beendet, wir sind wieder daheim. Es war noch wie erwartet: wenn man Künstlerfreunde in Schweden oder in Schleswig besucht, eine schöne Stadt wie Kopenhagen kennenlernt und im kleinsten Hotel Europas logiert (ein Zimmer), auf einer schwedischen Burg diniert etc. ist der Zeitpunkt zum Verzicht noch nicht erreicht.

Aber heute ist Sonntag und das ist der Beginn: kein Frühstück, ein Familientreffen ohne Weißwein und ein frühabendlicher Lauf im sehr nah gelegenen Forst – ein Anfang ist gemacht! Am Vorabend sahen wir zufällig einen netten Film mit Robert Redford und Nick Nolte nach dem Roman „Picknick mit Bären“ von Bill Bryson, den ich vor Jahren bereits gelesen hatte: zwei alt gewordene weiße Cis-Männer (ein letztes Mal der Quatsch!) gehen den ApallachenTrail (im Osten der USA, 3500km) wider alle Ratschläge und erproben sich selbst. Da war die Parallele. So wie mein heutiger Lauf und teilweise Gang ein kleiner Abklatsch früherer läuferischer Leistungen bis hin zum Marathon war, wanderte ich vor kurzem mit einem Freund in zwei Tagen von Wuppertal nach Altenberg als Ansatz für weitere und längst erlebte längere Hikes. Der Spaß war auch hier dabei, mit minimaler Ausstattung im Wald zu übernachten und das wirklich wesentliche neu zu entdecken: die Natur, Wasser, Regenschutz, einfache Nahrung, die eigene Durchhaltekraft und Koordination, gute Gespräche, Feuer. Bis auf Letzteres sind das auch die Komponenten der Langstreckenläufe mit Freunden durch das Bergische Land, wie wir diese so oft erlebten.

Die Idee der „Survival“-Wanderung beschlich zuletzt einige Männer in meinem Umfeld – es scheint vielleicht ein Trend zu sein, ein neu entdecktes tieferes Bedürfnis, ausgelöst durch Pandemie und der Klimakrise.

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Zurück zum neuen Anfang des Laufens: Demut ist alles! Freizeitläufer laufen eher zu schnell als zu langsam. Daraus entstehen entweder Handicaps oder der Frust, einen Lauf nicht durchzustehen. Es gilt: spare am Anfang die Körner, um sie am Ende zu haben. Der Körper muss sich „warm laufen“, das betrifft Muskulatur und Gelenke. Tatsächlich gibt es auch den Frank-Starling-Mechanismus, der besagt, dass die Herzmuskulatur nach Steigerung der Arbeitsleistung (erhöhter Vorlast) bis zu einem gewissen Grade besser arbeiten (sich nach vermehrter Dehnung der Muskelfasern besser zusammenziehen/pumpen) kann. Tatsächlich lief ich bei meinem einzigen für mich wirklich guten Marathon die ersten Kilometer konsequent hinter dem Luftballon eines Tempohasen her (6 Min/km), um mich dann erst langsam nach vorne zu lösen, mein Tempo zu finden und ganz am Ende ins Ziel zu beschleunigen, was ein tolles Erlebnis war – 2007, also Demut! Und weiter als 15–20 km werde ich nicht mehr laufen wollen oder können. Im Augenblick sind meine Ziele deutlich bescheidener.

Also laufe ich die 200 m zum Waldeingang möglichst langsam los, suche meinen mir vertrauten Atemrhythmus und trabe die erste lange Gerade hinunter, die Kühle des Waldes und die gleichmäßige bescheidene Aktion des Körpers genießend. Den zweiten, längeren Teil der Strecke zurück teile ich mir in Segmente auf, für deren Bewältigung ich jeweils einen Punkt vergebe. Muss ich vielleicht eine Passage gehen, laufe ich die nachfolgende von der ersten Lichtung bis zur Hütte und gebe mir einen Punkt usw. Ich war heute gnädig zu mir, aber jeder Schritt zählt und ich werde nicht hinter das heutige Ergebnis zurückstecken, sondern es wiederholen und dann steigern – gemach!