VON RÜDIGER ZUR BONSEN

abnehmen arztpraxis marienburg 1
20. September

Weniger ist mehr

Oder: Eine fortlaufende Echtzeitreportage Ihres Hausarztes zum Thema der aktiven Gewichtsreduktion | Teil 7


Eine Woche später |  Gewicht ist dynamisch

5 Wochen/5,5 kg. Da war ich doch schon vor ein paar Tagen! Die einzige Verunsicherung auf einem klaren Weg ist die Waage. Sie kann demotivierend wirken. Wenn ich meine Kampagne schon nach Maß und Zahl ausrichte, wieso geht es so hin und her? Weil wir zu 50 – 60 % aus Wasser bestehen, Frauen etwas mehr als Männer. Wir schwanken mit unserem Tagesgewicht eben von Tag zu Tag und ebenso im Verlauf eines Tages erstaunlich. Es sind Faktoren wie Flüssigkeitsaufnahme und Schwitzen, Salzgehalt der Nahrung, Menge an wasserziehenden Ballaststoffen in der Nahrung, Aktivierung der Muskelpumpe in den Beinen, atmosphärischer Druck, Herzleistung, Mondphase etc. – unser Körpergewicht kann um mehr als 2 kg schwanken und es hat noch nichts mit unserm Fett- oder Muskelbestand zu tun.

Auch wenn ich eine Woche lang feucht-fröhlich Karneval mit viel Bier feierte und ab Aschermittwoch reuig würde, würde ich in den ersten Tagen erstaunlich abnehmen, aber eben fast nur Wasser. Wenn ich tauchen gehe, steigert sich die Herzleistung unter den veränderten Druckverhältnissen, auch wenn ich nur in der Tiefe schwebe ohne mich anzustrengen. Ein Hormon, welches wir in der Praxis auch im Schnelltest messen, wird entsandt. Gefäße werden weitergestellt, die Nieren lassen mehr Salz und somit folgend Flüssigkeit ab, damit das Herz leichter pumpen kann und nach dem Tauchgang muss ich erst einmal zur Toilette. Auch so, aber nur vorübergehend, kann ich Gewicht verlieren.  Diese Phänomene lassen sich jederzeit durch häufiges Wiegen nachvollziehen.

Jetzt heißt es für mich die Nerven bewahren, an den Trend glauben und weitermachen, auch wenn die Waage zwischenzeitlich immer wieder einmal frustrierend höherer Werte angibt. Nachdem ich langsam gesteigert habe, werde ich die schönen Laufstrecken bis 7,5 km, die ich wiedergefunden habe, erst einmal so belassen. Auch das Pensum an Rudern und Trampeln auf dem Standfahrrad im Keller werde ich erst einmal nicht verändern. Ein weiteres Steigern würde mich aktuell immer mehr unter Druck setzen, dabei läuft es ja in der Kombination aktuell gut. Steigern werde ich hingegen die Gewichte beim Hanteltraining, um an die aktuellen Grenzen zu gelangen. Welche Übung zu sehr an dem Sehnenansatz zerrt, habe ich auch schon verstanden und bin da vorsichtig. Wichtig sind mir gegensätzliche Übungen von Streckern und Beugern, um eine einseitige Muskelverkürzung zu vermeiden.

Meine Frau berichtete mir die Tage, dass ein befreundeter (Spitzen-) Trapezkünstler derzeit nur mit Dehnungsbändern trainiert hätte: auch eine, womöglich schonendere, Alternative.

Hier geht es viel um Sport, aber was wäre auch niedrigschwellig zu tun, um in Bewegung zu kommen? Am einfachsten ist es sicherlich, im Alltag jeden Weg, der dafür in Frage kommt, zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren, am besten gleich den Arbeitsweg. Es ist schon erstaunlich, welch kurze Distanzen da bequem mit dem Auto gefahren werden! Treppen sollten grundsätzlich gestiegen werden, ohne den Aufzug zu benutzen. Das Spazieren gehen oder Wandern wird zum Training, wenn die Schritte bewusst dynamisch werden und der Oberkörper mit eingebunden wird. Das geht prima, wenn sich in jeder Hand ein Gewicht befindet, vielleicht ein Pfund oder ein Kilogramm, und die Arme ausladend mitschwingen. Das ist eigentlich der Sinn des Nordic Walkings und es sieht so besser aus als bei all denen, die ihre Stöcke meistens nur unmotiviert seitlich mitklappern lassen und es ist tatsächlich sehr effektiv!

Wie kann es sein, dass wir ein Übergewicht in Höhe des Gewichtes eines vollen Bierkastens – oder mehr – mit herumtragen können, wo das Schleppen eines solchen vom Auto bis zur Haustür schon mühselig genug sein kann? Durch die Verteilung des Gewichtes. Die Ritter, die früher kleinwüchsiger waren als wir heute, trugen eine bis zu 25 kg schwere Rüstung sowie zusätzlich Waffen mit sich herum und dann konnten sie auch noch reiten und kämpfen.

Sie haben halt nicht ihre Ausrüstung in einem Sack in einer Hand gehalten, sondern rundum getragen. So konnten alle Muskeln mit beansprucht werden. Unser größtes Zusatzgewicht tragen wir praktischerweise um den Körperschwerpunkt herum in der Mitte, also in der Bauchhöhle hinter unserer Bauchmuskulatur (weniger auch darüber). So können wir unser Depot mitschleppen, ohne dauernd umzufallen. Und wir tragen einen Rettungsring.  Trage ich meinen Gürtel mit Bleigewichten zum Tauchen in der Hand auf das Boot, wird mir der Arm lang. Habe ich ihn mir in Vorbeuge von hinten auf gewuchtet und angelegt, kann ich ihn nun gut tragen. Er liegt jetzt um meinen Körperschwerpunkt herum auf den Hüften.

So bemerken wir unser Übergewicht nicht so sehr. Der Vorteil: wir können anhaltend mehr tragen und leisten mehr Arbeit / der Nachteil: die spätere Hüftgelenksprothese, der Kniegelenksersatz, der Bluthochdruck, die Arteriosklerose etc.

Die Männerwampe ist fast weg, jetzt geht es bei mir an den Rettungsring.