VON RÜDIGER ZUR BONSEN

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27. September

Weniger ist mehr

Oder: Eine fortlaufende Echtzeitreportage Ihres Hausarztes zum Thema der aktiven Gewichtsreduktion | Teil 8


Eine Woche später | Essen und Index

6 Wochen/6,5 kg. Es hätte vielleicht noch mehr sein können. Ich bin kurz aus dem Rhythmus geworfen worden: an zwei Tagen hatte ich keine Gelegenheit zum Sport. Noch schlimmer: gleichzeitig kam ich nicht darum herum, auf eine Verlobung bzw. einen doppelten Geburtstag mit jeweils einem Glas anzustoßen.  Diese Behauptung ist natürlich zweifelhaft, es war aber schwierig, hier noch auszuweichen und Ausnahmen hatte ich mir ja auch eingeräumt. Es ist aber auch so, dass das Glas Alkohol bald den Hunger weckt und das Problem zunimmt. Der Zusammenhang liegt auf neuronaler Ebene im Gehirn. Meine Erfahrung ist nun also, dass auch das kleine Glas beim großen Anlass mein Vorhaben stört und ich am besten ganz verzichte.

Eine andere Prüfung dagegen habe ich gut durchstanden: lecker österreichisch essen zu gehen mit Freunden. Es ist der heikle Moment, da ich im schönen Ambiente sitze, die Speisekarte in die Hand bekomme und der Anblick und Geruch der feinen bis deftigen Speisen auf den benachbarten Tischen zur herzhaften Auswahl lockt. Das ist schwierig, aber es ist nur vorübergehend. Augen zu und durch. Und wenn das Mahl verzehrt ist, der große Salat mit Fleischstreifen auch lecker war und die Teller abgeräumt sind, sitze ich immer noch gemütlich mit den Andren da, genieße mein kaltes und würziges alkoholfreies Bier und freue mich sehr, dass mein Bauch sich nicht schwer anfühlt. Es erinnert doch sehr an den Rat, nicht hungrig einkaufen zu gehen, da der Einkaufswagen sich dann mehr füllt. Wiederum, schwierige Situationen sind zu vermeiden oder aber sehr bewusst und tapfer zu durchleben.

Überhaupt: abnehmen fängt beim Einkaufen an. Das Internet ist voller Nahrungsmittel-Tabellen und abgepackte Lebensmittel sind in ihrer Zusammensetzung irgendwo auf der Rückseite klar dargestellt. Naja, ohne Lesebrille ist es schon schwierig und ohne Grundkenntnisse, was z.B. Kohlenhydrate sind, sicherlich auch. Die Lobbyisten haben es bislang geschafft, eine klare und einfache Kennzeichnung der Produkte weitestgehend zu verhindern, Glückwunsch! Es ist mit Lesebrille aber schon zu lesen und mindestens zu verstehen, wieviel Zucker in vielen Lebensmitteln steckt und das sorgt für manche Überraschung.

Meine frisch erhobenen Blutwerte spiegeln übrigens den Diätzustand: Gesamt-Cholesterin 133 mg/dl, HDL-Cholesterin 77 mg/dl, Triglyceride 54 mg/dl – ohne Tabletten!

Wenn diejenigen, für die ein Aktivfasten aus zeitlichen, gesundheitlichen oder vorgeschobenen Gründen nicht möglich ist, fragen, welche sonstige passive Diät denn sinnvoll und möglich wäre, würde ich als erstes an Montignac denken. Die Empfehlungen dieses Herrn heben besonders auf dem Begriff des glykämischen Index ab. Dieser Wert sagt letztendlich aus, wie schnell ein wie hoher Blutzuckerspiegel nach Aufnahme eines Lebensmittels steigt im Vergleich zur Aufnahme von Traubenzucke. Beispielsweise hat ein leicht resorbierbares Brötchen einen hohen, eine schwerer zu verdauende (rohe) Möhre einen niedrigen glykämischen Index. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel und die reaktive und womöglich überschießende Ausschüttung von Insulin zur vermehrten Aufnahme von Zucker in die Zellen mit dem Nebeneffekt eines gehemmten Fettabbaus und womöglich baldigem Heißhunger auf den nächsten Snack. 

Jedenfalls und für die Zukunft nach einer energischen Gewichtsreduktion geht es schließlich um Bewusstsein für das, was wirklich notwendig, was wirklich einzukaufen und wirklich gesund und trotzdem lecker  ist. Mit dieser Erkenntnis gehe ich in einen Supermarkt und sehe einige komplette Regalreihen aus einem anderen Blickwinkel: die langen Reihen mit Backwaren, die mit Tiefkühlpizzen, die mit Süßigkeiten, die mit Konservendosen, die mit Knabberzeug, die mit Wurst und fettem Käse, die mit Softdrinks, die mit Fertiggerichten usw. Vor meinem geistigen Auge schmilzt der Laden auf ein Drittel zusammen.